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Ortsmuseum Schwamendingen

Die Gartenstadt

Nach der Eingemeindung 1934 setzte in Schwamendingen ein enormer Bauboom ein. Ausgehend vom Zentrum Schwamendingerplatz und den dort zusammen treffenden Hauptverkehrsachsen nach Dübendorf, Oerlikon, Wallisellen und das Zürcher Stadtzentrum, wurde unser Stadtteil bis in die 1960er-Jahre fast vollständig überbaut. Aus dem ehemaligen Bauerndorf wurde ein urbanes Wohnquartier.

Der Bebauung Schwamendingens in dieser Zeit lag das Gartenstadt-Modell zu Grunde. Diesen Plänen des damaligen Stadtbaumeisters Albert Steiner verdanken wir es, dass der Kreis 12 noch heute einen sehr hohen Anteil an Grünraum aufweist, dabei aber auch besonders viel preisgünstigen, genossenschaftlichen Wohnraum zu bieten hat.

garden cityGartenstadt-Konzept

Das Konzept von Gartenstädten wurde 1898 in England von Ebenezer Howard entworfen. Hintergrund bildeten die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse in den stark gewachsenen Grossstädten der Industriealisierungszeit.

Howard schlug vor, die bis dahin unplanmässige Ausbreitung grosser Städte in geordnete Bahnen zu lenken. Statt massiver Verdichtung in Stadtzentren, statt zusammenhangsloser Ausdehnung der Städte in neue Randgebiete, sollten völlig neue Stadtlandschaften um Kernstädte herum entstehen.

Solche Gartenstädte sollten je ein eigenes Zentrum haben, und die einzelnen Zentren müssten direkt mit der Kernstadt über Strassen und leistungsfähige öffentliche Verkehrsmittel erschlossen sein. Zusätzlich wären die einzelnen Gartenstädte untereinander zu verbinden, wobei zwischen ihnen jeweils breite Agrar-Gürtel liegen. Damit würde die strikte Trennung von Stadt und Land durchbrochen, wobei die Einwohnerschaft der Gartenstädte sowohl die Vorzüge ländlichen Lebens (Grünraum, Natur), wie auch jene urbaner Zentren (kurze Wege, Infrastrukturen) gleichermassen geniessen können.

Nach Howard, einem Genossenschaftssozialisten, sollten die Planungsmehrwerte aus Umwandlung von Agrar- in Bauland der genossenschaftlich organisierten Allgemeinheit zufliessen, die dafür ihrerseits einen grossen Teil der Baukosten tragen sollte. Wer in solchen Siedlungen lebt, soll ein lebenslanges Mietrecht und weit gehende Mitbestimmungsrechte haben.

Die strenge Lehre der Gartenstadt-Konzeption legt Gewicht auf die Nutzungstrennung: Die einzelnen Funktionen der Gartenstadt sollten konzentrisch angeordnet und durch breite Grünstreifen voneinander getrennt werden. Um einen gartenähnlich gestalteten zentralen Platz sollten die öffentlichen Gebäude angeordnet werden. Um diese sollte ein erster Parkring angeordnet werden, der von einem etwa 600 Meter tiefen Ring mit Wohngebäuden umgeben wird. In der Mitte des Wohnringes sollte die "Grand Avenue" angelegt werden, die einen Grüngürtel besitzt, in dem Schulen, Kirchen und Spielplätze angeordnet werden sollten. Außerhalb des Wohnringes sollten die industriellen und gewerblichen Arbeitsplätze liegen.

 

Umsetzung in Schwamendingen

Wurde das ursprüngliche Gartenstadt-Konzept vor allem für die boomenden Britischen Grossstädte entworfen, bedurfte es einiger Anpassungen um auch auf hiesige, kleinere Massstäbe Anwendung finden zu können.

Zwar liegt die Gartenstadt-Planung Steiner's schon einige Jahrzehnte zurück, doch weil in seiner Zeit unser Schwamendingen zum grössten Teil überbaut wurde, sind die Grundsätze dieses Konzeptes noch heute sehr gut zu erkennen. So liegen wichtige Einrichtungen mit Zentrumsfunktion nahe bei einander rund um den zentralen Schwamendingerplatz: Kreisbüro, Polizeiwache, Bibliothek, Einkaufsmöglichkeiten, Poststelle, Cafés und Restaurants finden sich innerhalb des roten Kreises im unteren Bild links, ebenso wie ÖV-Verbindungen nach den Nachbarquartieren und dem Stadtzentrum.
Um das belebte Quartierzentrum folgen die Wohnüberbauungen. Diese sind in umso lockerer Dichte erstellt, umso weiter sie sich vom Schwamendingerplatz entfernt befinden. Dezentral in den Wohngebieten eingebettet sind kleinere Ladengeschäfte, Begegnungsstätten (Restaurants, GZ, Sportanlagen, ...) und Schulen. Gut sichtbar sind auch die grosszügigen Grünräume innerhalb der Wohnüberbauungen.
An belasteten Standorten und am Rand der Gartenstadt Schwamendingen finden sich starke Emissionen verursachende Anlagen wie Kehrichtverbrennung, Holzheizkraftwerk, Industriebetriebe und dergleichen; eine Auswahl davon ist in der Karte links mit blauer Farbe gekennzeichnet.

k12Weitere Entwicklung

Mit dem Bahnhof Stettbach gesellte sich ein zweites Zentrum zu Schwamendingen. Besonders auf die kommende Quartierentwicklung mit der Glattalbahn darf man gespannt sein. Noch immer befinden sich ein Grossteil der Wohnbauten in genossenschaftlichem Besitz (violett), so dass die Hoffnung gehegt werden kann, dass auch künftige Entwicklungen nicht primär gewinnorientiert statt finden. Trotzdem ist ein eindeutiger Trend zur Verdichtung der Bausubstanz bereits heute im Gang. Bedenkt man, dass gerade um verdichtetem Bauen zu entgehen ursprünglich Gartenstädte errichtet wurden, gilt es hier ein wachsames Auge auf künftige Bautätigkeit zu haben. Gelingt es den Bauherrschaften, ihre Neu- und Ersatzneubauten so zu gestalten, dass die Vorzüge der Gartenstadt - Grünraum, dezentrale Schul- und Freizeitanlagen (u.a.) - gewahrt bleiben, blickt Schwamendingen einer blühenden Zukunft entgegen.

Eine zweite, grosse Chance bietet sich der Stadtentwicklung mit der anstehenden Einhausung der das Quartier Saatlen vom Rest des Kreises 12 abtrennenden Autobahn. Auf und um den Einhausungskörper soll neuer Grünraum geschaffen und die angrenzenden Siedlungen erneuert werden. Bleibt zu hoffen, dass auch hier die Planung aus einer ganzheitlichen Sicht heraus mit ähnlicher Weitsicht geschieht, wie sie seinerzeit der Stadtplaner Steiner bewiesen hat.